"...und der Hauptmann tobt!" - Eine Fahrzeugbeschaffung in der DDR

Mai 1986: Seit über 40 Jahren umschließt die innerdeutsche Grenze die nordthüringische Kleinstadt Ellrich zu zwei Dritteln. Die Kameraden der Feuerwehr müssen im Rahmen von Übungen und Einsätzen mit ihrem mittlerweile 22 Jahre alten TLF 16 auf S 4000-1 auch in den Grenzstreifen einfahren. Dies bringt Wehrleiter Kurt Buse auf eine Idee und er meldet sich nach vorheriger Absprache mit der Bürgermeisterin Edith Skibowski für die Sprechstunde anlässlich des Einwohnerforums am 28. Mai 1986 an.

Ein "Insidertipp"

Beziehungen schaden bekanntlich nur dem, der keine hat! Nun sind die desolaten Wirtschaftsverhältnisse der DDR den Kameraden der FF Ellrich ebenso bewusst wie das Alter ihres mittlerweile in die Jahre gekommenen TLF. Durch einen Insidertipp aus der Abteilung Feuerwehr des zuständigen Volkspolizeikreisamtes (VPKA) Nordhausen erfährt die Wehrleitung, dass demnächst die Neuzuführung eines TLF 16 in Ganzmetallkonstruktion (GMK) mit modernen Jalousientüren in den Kreis erfolgen soll. Nach Bedarfsplan ist für die Ellricher Kameraden dagegen erst für das Jahr 1988 die Neubeschaffung eines kleineren LF 8 auf Robur vorgesehen.

"Die da drüben kochen auch nur mit Wasser!"

Ansprechpartner der Sprechstunde für die Probleme der Bevölkerung ist der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Erfurt, Genosse Gerhard M. Mit ernster Miene schildert ihm Kamerad Buse nun seine Besorgnis, dass das alte TLF der Ellricher Kameraden bei der Einfahrt in den Grenzstreifen bei den Patroullien des "Klassenfeindes" "sicherlich keinen positiven Eindruck von der Leistungsfähigkeit der Arbeiter- und Bauernmacht vermittelt." Genosse M. wiegelt ab: "Die da drüber kochen auch nur mit Wasser!"

Nicht druckreif

Doch schon einen Monat später ergeht ein positiver Bescheid an die Bürgermeisterin. Der Leiter der Abteilung Feuerwehr im VPKA, Hauptmann Herbert O., tobt und seine Wortwahl ist wahrlich nicht druckreif. Er hat mit der Neuzuführung etwas anderes im Sinn gehabt; jetzt ist er nicht einmal gefragt worden und fühlt sich übergangen. Er schickt den Genossen I. vom Rat des Bezirks gemeinsam mit dem zuständigen Meister des Versorgungsstützpunktes nach Ellrich, um dort alle Bedingungen für die Einstellung des TLF auf W 50-Basis ins Feuerwehrdepot noch einmal überprüfen zu lassen. Vielleicht passt der W 50-Tanker ja doch nicht in die Halle?

Aber das Feuerwehrdepot aus dem Jahr 1936 ist groß genug, und selbst die Tore sind bereits ausreichend dimensioniert. Doch O., der das neue Fahrzeug nur allzu gerne seiner "Lieblingsfeuerwehr" zugespielt hätte, lässt nicht locker und versucht die Ellricher Kameraden mit einem sofort disponiblen, generalüberholten TLF auf W 50, allerdings mit veralteten Klapptüren zu ködern.

Doch auch Kamerad Buse weiss genau, was er will. Nach dem endgültigen Bescheid kann das TLF 16 GMK (Anschaffungspreis 188.310 DDR-Mark) am 21. Oktober 1987 in Ellrich feierlich der Wehr übergeben werden. Die Lieblingsfeuerwehr von Hauptmann O. muss sich dagegen 1988 mit dem ursprünglich für Ellrich vorgesehenen LF 8 auf Robur begnügen.